Die Schulter mit dem Bizeps reparieren – geht das?

Die Schulter stellt ein kompliziertes Gelenk dar, wobei vier Hauptmuskeln und deren Sehnen eine führende Rolle spielen. Zusammen bilden sie die sogenannte Rotatorenmanschette. Wenn eine oder mehrere dieser Sehnen – durch Unfall oder Verschleiß – reißen, kann es zu Schmerzen und Funktionsverlust kommen. Häufig kann so eine Sehne genäht werden, was in den meisten Fällen gut heilt. Doch in manchen Fällen bleibt eine Heilung aus oder die genähte Sehne reißt wieder. Wie dann ein Stück aus einer Sehne des Bizeps helfen kann, darüber referiert Prof. Dr. med. Arasch Wafaisade, Sektionsleiter Arthroskopische und rekonstruktive Gelenkchirurgie/ Sporttraumatologie an der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie, Sporttraumatologie des Klinikums Merheim, Köln auf dem 34. Jahreskongress des BVASK im Düsseldorfer Medienhafen.

„Wenn der Riss besonders groß oder sehr weit zurückgezogen ist, oder die Rotatorenmanschette nach dem ersten Nähen erneut abgerissen ist, dann brauchen wir eine zusätzliche Methode, um den entstandenen Defekt verschließen zu können“, erklärt Wafaisade.

Häufig betroffen sind zum Beispiel Handwerker. Wenn beispielsweise Mauer oder Dachdecker in ab einem Alter von über 50 Jahren einen Unfall erleiden, bei dem die Rotatorenmanschette reißt, kann es kompliziert werden, da einerseits häufig mehrere Sehnen gleichzeitig verletzt werden und andererseits die Sehnen ebenfalls nicht mehr ganz jung sind.

Der stammnahe Anteil des Bizepsmuskels besteht aus zwei Sehnen. Die Hauptarbeit dieser beiden leistet die „Kurze Bizepssehne“, welche von einem Knochenvorsprung des Schulterblattes entspringt. Die zweite, die „Lange Bizepssehne“, hat dagegen kaum eine Funktion und verläuft zudem auch durch das Gelenk. Wafaisade: „Wir können sie also praktischerweise nutzen, um die Sehne der Rotatorenmanschette zu verstärken oder einen verbleibenden Defekt zu verschließen, wie mit einem Flicken.“

Dabei kann die lange Bizepssehne dank ihres Verlaufes direkt genutzt und mit eingenäht werden. Bei Bedarf kann sie jedoch auch aus dem Gelenk entnommen, präpariert und wieder transplantiert werden. Das Ganze wird arthroskopisch minimalinvasiv durchgeführt.

Das Absetzen der langen Bizepssehne im Gelenk führt nur in den seltensten Fällen zu einem Kraftverlust, dann auch nur geringfügig.

Die Bizepssehne als Rotatorenmanschetten-Verstärkung ist jedoch nur eine von vielen Methoden, um eigentlich „nicht reparierbare“ Sehnenrisse wieder in den Griff zu bekommen. Aktuell laufen klinische Studien zu dem Verfahren. Wafaisade weist jedoch darauf hin, dass die Methode „zwar vielversprechend“, aber nicht „der heilige Gral“ sei. Mit Hilfe der Langen Bizepssehne lässt sich in der Rotatorenmanschetten-Chirurgie Einiges verbessern, aber als alleiniges Gewebe reicht sie zumeist nicht aus. So kann dies additiv eingesetzt werden, so etwa bei Teil-Rekonstruktion oder Sehnentransfer-Operationen.

Die Lange Bizepssehne kann also immer nur ein ädaquater Baustein von mehreren sein, so der Experte.

BVASK-Kongress 02.-03. Februar 2024, Düsseldorfer Medienhafen

Zurück