Wichtig ist eine gute Medizin!

30. Jahreskongress des Berufsverbandes für Arthroskopie - Eine Nachlese

Es war ein Kongress der Superlative: begeisterte Teilnehmer, hochkarätige Referenten, spannende Themen und ein fachlicher Austausch auf höchstem Niveau. Der Mix aus berufspolitischen und Fachthemen wurde einmal mehr in den höchsten Tönen gelobt. Und obwohl in der Berufspolitik im Alltag vieles holprig ist, lassen sich die meisten Orthopäden davon nicht entmutigen. „Dem Beruf Freude abgewinnen – das ist unser Credo“, sagte Dr. med. Ralf Müller-Rath, 1. Vorsitzender des BVASK, gleich zu Beginn. Es gehe nicht darum, ein trauriges Szenario zu zeichnen, sondern „um die Dinge, die wir langfristig ändern und weiterentwickeln können und müssen“.

Von Investoren und Rendite

So machte Dr. med. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, klar: „Anleger haben seit Jahren nun auch das Gesundheitswesen im Focus. Doch wenn die Rendite das einzig Treibende ist, ist das schlecht. Besitzer wollen handelnden Ärzten immer mehr Vorgaben machen. Wir müssen die Kollegen vom Dilemma befreien in dem sie sich zunehmend befinden.“ Da würden Kliniken abgewickelt und als MVZ-Kette neu gegründet. Bis 20 Prozent seien bereits in Investorenhand. Es sei jedoch nicht leicht, dies einzudämmen. Gegenmaßnahmen könnten in einer Gewinnabführung liegen, in der Beschränkung von Standort-Ausdehnungen oder in einer Mindestzeit, wie lange so ein MVZ zu halten ist, ehe es wieder verkauft werden darf. Derzeit werden so einige Faktoren diskutiert.

Demografie – das Damoklesschwert

Aber auch die Demografie macht dem Gesundheitswesen zu schaffen. Der durchschnittliche Hausarzt ist heute 60 Jahre alt, ein Facharzt im Schnitt 58 Jahre. Da gar nicht so schnell so viele junge Kollegen nachkommen können, braucht es dringend eine „Kultur der Aus- und Weiterbildung“. Noch immer werden chirurgische und konservative Orthopädie nicht einheitlich und ausreichend umfangreich vermittelt.

Zukunftsvision: Ausbildung, Weiterbildung, Forschung

Interessant für die nachrückenden Orthopäden ist nach wie vor eine Niederlassung. Doch wie sieht es in Ausbildung, Weiterbildung, Forschung aus? Dieses Thema wurde in sehr gut besuchter Runde diskutiert. Sogar die Forschung sei in der Niederlassung möglich, an der Uni bekommt man dafür nicht unbedingt mehr Zeit. Es sei alles eine Frage der Motivation und Organisation.

Ob man sich frei operieren müsse, bevor es in die Niederlassung geht? Diese Frage wurde recht unterschiedlich bewertet. Ja, heißt es, denn man müsse erst Erfahrungen sammeln, in der Klinik könnte einem dabei noch geholfen werden. Häufig sei dabei nicht so sehr die technische Umsetzung der OP gemeint, sondern der Punkt an dem wir sagen „Wir lassen es jetzt so“. Die andere Meinung ist, das geht auch alles so in der Niederlassung. Denn auch in der Klinik werden Assistenzärzte oft allein gelassen.

Aber eine Trennung zwischen Praxis und Klinik sei  beim Lernen sowieso keine Option mehr. Kontrovers wurde diskutiert, wo denn nun  eine gute Ausbildung stattfinden sollte. Die einen haben in sechs Monaten Niederlassung chirurgisch mehr gelernt als in 5 Jahren Uni-Klinik. Fakt ist: die Die praktische Ausbildung ist noch sehr schwierig. Und: Wer aufgrund der aktuellen Arbeitszeitgesetzgebung weniger Zeit einbringt, braucht eben auch länger. Nur die Rosinen rauspicken - funktioniert nicht.

Delegation und Substitution

Ein anderes wichtiges Thema war die Delegation und Substitution, über die Prof. Dr. med. Marcus Hoffmann, Duale Hochschule Baden-Württemberg, Karlsruhe sprach. Der demografische Wandel, die veränderte Infrastruktur und der Fachkräftemangel vor allem in den operativen Fächern machen dies nötig. Die Frage ist jedoch: Sind die Gesundheitsberufe qualifiziert genug? Und das Problem ist: es gibt immer mehr Wildwuchs bei der Akademisierung der Gesundheitsberufe. Die Ärztekammer will nun den Beruf des „Physican Assistent“ (PA) endgültig etablieren und die Ausbildung möglichst einheitlich voran bringen. Derzeit ist es ein 3jähriges Studium zum Bachelor mit über 20 Studienorten in Deutschland. Demnächst wird es dafür auch Masterstudiengänge geben. Diese richten sich an erfahrene Kräfte, wie zum Beispiel MTA´s. Derzeit gibt es in Deutschland rund 1000 Physican Assistants. Der Titel ist jedoch leider noch nicht bundesweit geschützt. Letztendlich entscheiden dann die Ärzte, welche Tätigkeiten delegiert werden.   Bei den Orthopäden gibt es jedenfalls eine hohe Bereitschaft, die PA´s einzusetzen.

Deutschsprachiges Arthroskopieregister

Auf immer größeres Interesse stößt DART – das deutschsprachige Arthroskopieregister. Bereits über 300 Ärzte und Zentren und über 4000 Patienten nehmen daran teil. Nach dem Knorpelregister kommt jetzt auch das Osteotomieregister der Deutschen Kniegesellschaft dazu, so Müller-Rath. Je mehr Daten es in kürzester Zeit gibt, desto besser kann die Ergebnisqualität nach Operationen gemessen werden. Dieses hat viele Vorteile: Für die Ärzte, für die Patienten und für berufspolitisches Handeln.

Baustelle Gesundheitspolitik

KBV-Chef Andreas Gassen sprach die derzeit wichtigsten Themen an, die im gesamten deutschen Gesundheitsbereich drücken. Da wird ambulantisiert, aber ohne, dass das Geld folgt, die Ausbildung funktioniert nicht, wir haben zu viele Betten und zu viele Kleinstkrankenhäuser. Den Fachkräftemangel erlebt Deutschland jeden Tag. Gassen: „Wir brauchen einen Umbau – solange er noch möglich ist. Das sind neue intersektorale Strukturen. Aber die Politik vor Ort wehrt sich noch.“

Und plötzlich Unternehmer

Richtig voll war der Saal noch einmal bei der Podiumsdiskussion „Zukunftsvision: Wirtschaftsraum Gesundheitswesen“, wo sich Dr. Philip Rößler (Uniklinikum Bonn),  Dr. med. Emanuel Ingenhoven (Orthopädische Praxisklinik Neuss-Düsseldorf), Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller (Orthopädische Klinik, Herzogin Elisabeth Hospital, Braunschweig) und Dr. med. Wolfgang Gruber (MedCenter Bayreuth) den Fragen der Teilnehmer stellten.

Was kostet es mich, mich niederzulassen – war eine der spannenden Fragen. Und wo kommt das Geld dann her, um alles zu refinanzieren? Ausschließlich aus GKV-Patienten schon mal nicht, soviel steht fest. Um wirtschaftlich alles wuppen zu können, brauchen Selbstständige auch Privatpatienten, BG-Fälle und die chirurgische Orthopädie.

Doch zuerst sollte sich jeder fragen: Wo will ich leben, wo ist Heimat für mich? Was will ich machen, welche Bereiche abdecken? Zieht es mich eher aufs Land oder in die Stadt? Zunehmend verwischen die Sektoren. Heute ist es auch möglich, einen Teiljob in der Klinik zu haben und das Ganze trotzdem mit einer Niederlassung zu verbinden. Die Arbeit wird mehr, die Ärzte werden immer weniger. Deshalb müssen und können sie flexibel sein. Rund 50 Prozent von ihnen arbeiten bereits sektorenübergreifend. Immer mehr Leistungen werden ambulant möglich, die Spezialisierung steigt immer mehr an.

Auf der anderen Seite gibt es viele junge Menschen, die gern in der Klinik arbeiten wollen. Um die zu bekommen braucht es aber Eigenverantwortlichkeit und ein ordentliches Gehalt. Einem guten Oberarzt in der Orthopädie müssen schon 180.000-200.000 Euro geboten werden – sonst ist er weg. Aber: die Politik will abbauen und rationieren. Da ist es schwer, den besten Weg zu finden.

Doch auch die Niederlassung führt nicht dazu, dass man frei ist in seinen Entscheidungen.  Überregulierung und wechselnde Rechtsprechung bringen den Selbstständigen oft schlaflose Nächte. Wenn man jedoch überzeugt ist, von dem was man tut und in seinem Job aufgeht, dann kann alles gelingen. Selbstständig, das heißt eben „selbst und ständig“!

Fazit: Wichtig ist das Investment in die eigene Perspektive. Das Wesentliche aber ist eine gute Medizin.

Heller: „Wenn ein junger Kollege noch nicht weiß was er machen will, sage ich immer: ´Werden Sie erst mal gut´!“ 

In diesem Sinne laden wir junge und gestandene Kollegen gern schon für das nächste Jahr zum 31. Kongress des BVASK vom 29. bis 30. Januar 2021 ein. Kommen Sie und gestalten mit uns ein Stück Zukunft der Orthopädie!

 

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