Neue Behandlungspauschalen gefährden ambulante OP-Qualität für Patienten
Mit Einführung sogenannter „Hybrid-DRG“ durch das Gesundheitsministerium sollen nun auch ambulante Operationen mit Behandlungspauschalen vergütet werden. Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), der Berufsverband für Arthroskopie (BVASK), die Gesellschaft für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie e.V. (GFFC) und die D-A-CH Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie (DVSE) warnen davor, dass hierdurch individuelle Medizin erschwert und die Qualität von Operationen deutlich sinken wird. Der Kostendruck durch Pauschalvergütungen führt zu medizinisch fragwürdigen Entscheidungen und letztlich in eine Zweiklassenmedizin.
Bisher werden bei ambulanten Operationen Materialien und Implantate, die bei Operationen verbraucht oder eingesetzt werden, wie z.B. Knochenplatten, Prothesen oder Anker zur Befestigung von Sehnen, von den Krankenkassen einzeln vergütet. Der Operateur trifft also ohne Kostendruck die Entscheidung für das richtige Implantat – ganz so, wie es der Patient benötigt.
In Krankenhäusern werden diese Materialien über Kostenpauschalen (DRG) finanziert. Eine aktuelle Umfrage unter Ärzten von BVOU, BVASK, GFFC und DVSE zeigt: Der Kostendruck durch solche Pauschalvergütungen, wie im jetzigen stationären DRG-System, führt zu medizinisch fragwürdigen Entscheidungen. Und genau dieses System soll nun auch für ambulante Operationen gelten!
In der Umfrage, bei der 600 Operateure antworteten, gaben 60 Prozent der Teilnehmer an, dass sie bei freier Wahl andere Entscheidungen bzgl. der Art und Menge der Materialien im Rahmen von Operationen treffen würden, als unter den aktuellen DRG-Bedingungen.
Ein Fünftel der Ärzte bestätigten sogar die Aussage, Patienten unter DRG-Bedingungen nicht gemäß dem wissenschaftlichen Standard behandeln zu können. Knapp ein Drittel der Befragten sehen sich aufgrund des Kostendruckes in Zusammenhang mit Implantaten und anderen medizinischen Materialien gezwungen, gewisse Eingriffe auf zwei Operationen aufzuteilen, obwohl aus medizinischer Sicht der gesamte Eingriff auch in einer einzigen OP durchgeführt werden könnte.
Über 80 Prozent der Operateure sind der Meinung, dass Patienten medizinisch besser versorgt werden könnten, wenn Implantate und andere medizinische Materialien im Rahmen von Operationen nach Verbrauch erstattet würden – so wie es bisher bei ambulanten Operationen der Fall war.
Viele Befragte nutzten die Gelegenheit, ihre Sorgen per Freitext zu beschreiben: „schlechtere Patientenversorgung“ „Billig-Implantate“, „Ende der Operationen im ambulanten Sektor“, „Gewisse Leistungen biete ich nicht mehr an“, „OPs werden nicht mehr stattfinden“, „schlechtere Versorgungqualität“.
Eigentlich kommt Gesundheitsminister Lauterbach zu dem gleichen Schluss wie die Experten aus Orthopädie und Unfallchirurgie. Auch er beklagt öffentlich die Überökonomisierung und die Fehlanreize, die durch das DRG-System eingeführt wurden. Mit Einführung der ambulanten Fallpauschalen wiederholt er nun aber den Fehler ein zweites Mal.
Der Minister beklagt auch seit Jahren eine bestehende oder drohende Zweiklassenmedizin. Mit Einführung der Hybrid-DRG wird diese bei ambulanten Operationen jedoch erst geschaffen! Medizinisch wichtige Entscheidungen sollen bei gesetzlich Versicherten nun unter Kostendruck getroffen werden. Preisdumping und Qualitätsverlust sind vorprogrammiert.
Die Vorsitzenden des BVOU und BVASK, Dr. Burkhard Lembeck und Priv.-Doz. Dr. Ralf Müller-Rath leiten aus dieser Umfrage eine eindeutige Forderung an den Gesundheitsminister ab: Spezielle Materialien und Implantate müssen weiterhin durch die Krankenkassen separat und nach dem realen Verbrauch erstattet werden. Nur so können wir die Patienten passend zum Bild der Erkrankung und Verletzung behandeln.
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