Orthopädische Praxen befinden sich seit Beginn der Pandemie in Zyklen immer wieder im Corona-Modus. Bei Patienten, Ärzten und Praxisangestellten hinterlässt das Spuren. Dr. Wolfgang Gruber, Orthopäde und Geschäftsführender Gesellschafter vom MedCenter Bayreuth erklärt, warum das für viele Betroffene mehr als nur Kollateralschäden sind.

Gleich zu Beginn der Pandemie waren die Patienten verunsichert, sagten Termine und Operationen ab. Gruber: „Jetzt sehen wir viele schwere Fälle. Patienten, die vor einem halben Jahr hätten operiert werden müssen, können teilweise nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, behandelt werden.“ Zum Beispiel bei Sehnenrissen müssen nun Kunstgelenke eingesetzt werden. Auch sehen die Orthopäden derzeit vermehrt Knochenbrüche, die in verschobener Stellung verheilt sind. Die erhebliche Zurückhaltung für Operationen am Bewegungsapparat besteht derzeit immer noch. Rund 50 Prozent der Patienten wollen wichtige Therapien gern verschieben.

Der Krankenstand unter den Niedergelassenen Orthopäden und ihren Angestellten ist um 40 Prozent gestiegen. Immer wieder befinden sich viele in Quarantäne. Sie, die an vorderster Corona-Front ohne schützende Eingangstests arbeiten, stecken sich zum Teil selbst an oder ihre Angehörigen erkranken. Die Folge: viele Praxen müssen wochenlang schließen oder eingeschränkt arbeiten, weil schlichtweg kein Arzt mehr da ist. Dazu kommt ein Notstand bei Hygieneartikeln. Waren es am Anfang Masken und Desinfektionsmittel sind es jetzt zum Beispiel sterile OP-Handschuhe, die an allen Ecken und Enden fehlen.

All diese Umstände führen in den Praxen zur kompletten Umstellung der Arbeitsabläufe. Die Wirtschaftlichkeit bricht stückweise weg. Viele Praxen haben Umsatzeinbrüche von 30 Prozent und mehr. Die Schutzschirme für die selbstständig arbeitenden niedergelassenen Orthopäden reichen nicht aus. Während Kliniken für freigehaltende Betten Geld bekommen, gehen niedergelassene Orthopäden, die mit ihren Operationen diese Betten sonst füllen, leer aus.

Trotzdem müssen Löhne und Gehälter für das Personal weitergezahlt, Geräte und Einrichtungen abgezahlt und Mieten bezahlt werden. „Wir brauchen jede Arbeitskraft“, sagt Gruber. „Jeder Patient der zu uns kommt, wird auch behandelt. Die Schäden, die Pandemie und Lockdown jedoch anrichten, müssen umfassender gesehen werden. Denn hier geht es um Schicksale, die nicht in den Zahlen des RKI erscheinen. Wir müssen aufpassen, dass dies nicht noch mehr Arztpraxen vernichtet.“

Schon jetzt müssen viele Patienten lange auf Termine beim Orthopäden warten. Auf der anderen Seite scheuen junge Ärzte zunehmend die Selbstständigkeit. Nach der Pandemie könnte dies noch stärker zutage treten.

 

 

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